Den Auftakt von „Monumental Shadows Berlin“ bildete eine urbane Intervention von Various & Gould an der Bismarck-Statue im Berliner Tiergarten, Großer Stern, 10557 Berlin. Mit einer dem Papiermaché verwandten Technik haben die beiden Künstler*innen zusammen mit dem Team von Colonial Neighbours das Denkmal temporär abgeformt und diese Papierhülle vom Sockel geholt.
MONUMENTAL SHADOWS
Dokumentarfilm von Frederic Leitzke zum Projekt „Monumental Shadows – Koloniales Erbe neu denken“, Berlin 2021.
„Monumental Shadows – Koloniales Erbe neu denken“
Ein partizipatives Projekt im öffentlichen Raum, das das Andenken an Kolonialfiguren vom Sockel holt und die Schatten von Geschichte und Gegenwart verschiebt.
Auch wenn immer mehr europäische Länder beginnen, sich mit ihrer kolonialen Geschichte auseinandersetzen, beherrschen weitreichende Schatten deren Erinnerungskultur. Ehemals kolonisierende und kolonisierte Länder verbindet eine komplexe, gewaltvolle Vergangenheit, die bis in die heutige Zeit nachklingt. Das Kunstprojekt „Monumental Shadows“ setzt sich mit Erinnerungskultur auseinander und beschäftigt sich mit Kunstwerken und Denkmälern, die weiterhin Kolonialgeschichte in den öffentlichen Raum einschreiben. In einer Kombination aus künstlerischer Zusammenarbeit, inhaltlicher Debatte und öffentlicher Diskussion wird der Zusammenhang von Kolonialismus und heutigem Rassismus sichtbar gemacht.
Papierabformung der Bismarck-Statue, Berlin 2021. Photo: Raisa M. Galofre Cortés
Für „Monumental Shadows“ ist eine Reihe von sieben künstlerischen Papier-Abformungen von Denkmälern in Europa geplant. Vor dem historischen Hintergrund der Berliner „Kongokonferenz“ (1884/85) handelt es sich um Monumente, die einen Bezug zum europäischen Kolonialismus in Afrika haben und heute in Ländern stehen, welche maßgeblich an der Konferenz beteiligt waren und bis bis in die Gegenwart von ihr profitieren. Die ausgewählten Denkmäler und die mit ihnen verbundenen historischen Persönlichkeiten werden in der Geschichtsschreibung ihres jeweiligen Landes (und darüber hinaus) noch immer positiv dargestellt oder sogar glorifiziert. Dabei werden die koloniale Ausbeutung und imperialistischen Gräuel, für die sie verantwortlich zeichnen, verschwiegen, verharmlost oder beschönigt. Einerseits liegt ihr Anteil am Kolonialismus für große Teile der Gesellschaft im Schatten, während ihr Wirken andererseits noch immer einen Schatten auf die Leben vieler Menschen wirft.
Intervention von Various & Gould in Zusammenarbeit mit Colonial Neighbours (SAVVY Contemporary), Berlin 2021. Photo: Raisa M. Galofre Cortés
Ziel des Projektes ist es, diese Denkmäler zu entmonumentalisieren, indem wir sie symbolisch vom Sockel heben und mit neuen Bedeutungen aufladen. Bei der visuellen Gestaltung der Hülle gehen wir auf das jeweilige Monument und dessen koloniale Geschichte ein. Durch die Leichtigkeit und Verformbarkeit des Papiers wird ihre Vergänglichkeit sichtbar.
Performance von Thomias Radin mit Natisa Exocée Kasongo, Jumọke Adeyanju und Delawhere, Berlin 2021. Photo: Raisa M. Galofre Cortés
Anschließend werden die entstandenen Abformungen in Ver-Formances performativ verformt und damit sogar berührbar. Es wird begreifbar: Geschichte ist nicht statisch, und wir sind alle Teil von ihr. Unser Anliegen ist es, die Wirkmacht der weißen Narration zum Kolonialismus zu brechen, indem wir einen Perspektivwechsel vorschlagen. Dabei ist es wichtig, die eurozentristische Sicht und Erzählweise nicht länger unkommentiert zu reproduzieren. Es ist längst überfällig, die bisher häufig verschwiegenen und ignorierten Geschichtsschreibungen und -erzählungen von People of Color stärker ins Licht und in die Aufmerksamkeit zu rücken. Erst wenn sie Teil einer gemeinsamen Erinnerungskultur sind, können wir uns zu einer kolonial- und rassismuskritischen Gesellschaft entwickeln.
Erste Station: Berlin
„Monumental Shadows Berlin“ ist eine künstlerische Auseinandersetzung mit dem kolonialen Erbe und der aktuellen Erinnerungskultur Deutschlands. Das Pilotprojekt wurde von August bis Ende Oktober 2021 in Berlin durchgeführt und gliederte sich in vier Teile, sogenannte „Shadows“. In verschiedenen Formaten haben die teilnehmenden Künstler*innen und Sprecher*innen hinterfragt, welche Spuren und Auswirkungen des Kolonialismus es bis zum heutigen Tag gibt.
Ausgangspunkt ist die Erfahrung, dass der deutsche Kolonialismus im öffentlichen Diskurs häufig verharmlost wird. Er liegt somit für viele Menschen im Schatten und wirft gleichzeitig einen langen Schatten auf die Leben vieler.
Das Projekt wurde initiiert von dem Künstlerduo Various & Gould und entstand in Zusammenarbeit mit Colonial Neighbours einem Projekt von SAVVY Contemporary.
Various & Gould
Die in Berlin lebenden Künstler*innen Various & Gould arbeiten seit 2005 als Duo zusammen. Im Jahr 2010 haben beide ihr Studium an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee (KHB) abgeschlossen. Various & Gould sind Grenzgänger*innen auf verschiedenen Gebieten. Grundlage für ihre Zusammenarbeit sind Druckgrafik, Papiercollage und Kunst im öffentlichen Raum. Auf meist spielerische Weise nehmen sie sozialrelevante Themen in Angriff.
Colonial Neighbours
ist ein Langzeit-Projekt von SAVVY Contemporary in Berlin. Internationale Künstler*innen, Historiker*innen, Kulturwissenschaftler*innen, Kurator*innen und andere Aktivist*innen sind eingeladen, sich in diesem partizipativen Archiv- und Forschungsprojekt mit der deutschen Kolonialgeschichte und ihren Nachwirkungen in der Gegenwart zu beschäftigen.
Team Monumental Shadows Berlin (2021)
Künstlerische Leitung: Various & Gould
Kuration: Lynhan Balatbat-Helbock
Projektmanagement: Britt Janina Heinker
Kuratorische Assistenz: Lili Somogyi, Antonio Pedro Mendes
Zusätzliche, künstlerische Intervention: Daniela Medina Poch & Juan Pablo García Sossa
Performance: Thomias Radin, Natisa Exocée Kasongo, Jumoke Adeyanju & Delawhere
Produktionsassistenz: Billy Fowo, Sagal Farah, Jörg-Peter Schulze, Alina Kologriwaja, Ahmed Isam Aldin, Mohamedali Ltaief, Sh. M. Mudassir
Schulworkshops: João Eduardo Albertini
Panel-Diskussion: Josephine Apraku, Fernande Bode, Jumọke Adeyanju
Panel-Moderation: Lynhan Balatbat-Helbock
DJ-Set: Hanaby
PR/Kommunikation: Anna Jäger
Management: Lema Sikod
Design: Juan Pablo García Sossa
Vermittlung: Annika Hirsekorn
Leichte Sprache: Christina Stark, Annika Hirsekorn
Deutsche Gebärdensprache: Ina Peters
Gebärdensprachvideos: Rolando Octavio González
Foto-Dokumentation: Raisa Galofre
Video-Dokumentation: Frederic Leitzke (editude pictures), Florian Lampersberger
Das Pilotprojekt in Berlin wurde gefördert durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa des Landes Berlin und dem Berliner Projektfonds Urbane Praxis, mit freundlicher Unterstützung von Zapf Umzüge.
Aktuelles Team der Monumental Shadows Projektreihe in Europa:
Noah Anderson und Various & Gould
Kontakt: vasb@zbahzragny-funqbjf.arg
Instagram: instagram.com/monumentalshadowsproject
LinkedIn: linkedin.com/company/monumental-shadows-rethinking-colonial-heritage/